Ordensverleihung, Ostereier und ein gescheitertes Kunstwerk – Hilfstransport Nummer 7 mit Rückfahrt durch den Flüchtlingsschlafsaal

Am 28. April 2023 trat Uli Fößmeier gemeinsam mit Martin vom Verein „Kurz mal Helfen e.V.“ seine siebte Hilfsfahrt in die Ukraine an – diesmal mit dem Ziel, nicht nur zu liefern, sondern auch kleine Kulturgüter aus Chervonograd für Benefizzwecke mit nach Deutschland zu bringen. Trotz holpriger Vorbereitung, Stau in Krakau und vier Stunden Grenzwartezeit gelang die Ankunft – wenn auch verspätet und nur dank der Hilfe eines nächtlichen ukrainischen Polizisten. Der Aufenthalt war geprägt von offiziellen Ehrungen, Begegnungen mit Künstlern, einem Besuch auf dem wachsenden Soldatenfriedhof und der Freude über ein geschenktes, kunstvoll verziertes Metallstück eines ehemaligen Flugabwehrsystems – Symbol für den Wandel von Krieg zu Frieden. Doch an der polnischen Grenze wurde dieses Kunstwerk als „Waffe“ deklariert und musste zurückgelassen werden. Nach Mitternacht fanden Uli und Martin spontan Schlaf in einer Flüchtlingsunterkunft – ein passender Abschluss einer Fahrt voller Symbolkraft, Einsatz und bewegender Begegnungen. Die Dankbarkeit ukrainischer Soldaten für die gelieferten Hilfsgüter machte einmal mehr klar: Die Hilfe bleibt notwendig – und persönlich.

Originalbericht

Der 28. April 2023 war nach längerer Pause der Tag meiner siebten Fahrt nach Chervonograd. Ich hatte in den Monaten davor gesundheitliche Probleme (Rücken), die aber nun geheilt sind. Mein Mitfahrer war Martin, Vortandsmitglied von „Kurz mal Helfen e.V.“, der große Erfahrung mit Fahrten in die Ukraine hat, aber noch nie in Chervonograd war.

Die Planung verlief etwas holprig, da Metro unsere Bestellungen nicht rechtzeitig ins Lager bekam. Dafür bekamen wir Hilfsgüter von Hilfsorganisationen in Starnberg und Penzberg, die die Waren aus unserem eigenen Lager ergänzten. Die Vorbereitung mit unseren unkrainischen Partnern war diesmal intensiver; denn es war mein Plan, diesmal nicht völlig leer zurückzufahren, sondern Kleinigkeiten aus der Ukraine mitzubringen, die wir auf unseren Ständen verkaufen können, zur Finanzierung weiterer Fahrten. Das musste auch organisiert werden. 

Um den obligatorischen Nachmittagsstau bei Krakau zu vermeiden, fuhren wir diesmal früher los, gegen 3:00 Uhr nachts. Dadurch kamen wir zeitig nach Krakau –  in den Stau. Interessanterweise stehen an der betroffenen Stelle permanente Schilder, die auf den Stau hinweisen. Es scheint also unvermeindlich zu sein, hier etwas Zeit einzurechnen. 

Wir erreichten die ukrainische Grenze gegen 19:00 Uhr, und es scheint mir, dass die Autoschlangen jedes Mal länger werden. Der Übertritt dauerte insgesamt vier Stunden. Die einzige erwähnenswerte Situation war der ukrainische Zoll. Ich hatte in der Vorbereitung der Fahrt bemerkt, dass die Webseite mit dem Zollformular immer noch kaputt ist (wie schon letztes Jahr). Auf eine entsprechende Anfrage bei der ukrainischen Botschaft in Berlin wurde mir ein Formular zugeschickt, das ich verwenden sollte. Die Zöllnerin akzeptierte dieses Formular aber nicht und forderte uns auf, alle Daten nochmal auf ein leicht anders formattiertes Formular abzuschreiben, das sie uns gab. Das positive an der Sache war, dass sie unglaublich freundlich war, sehr ungewöhnlich für Grenz- oder Zollbeamte.

Während der Wartezeit wurde Oleg in Chervonograd immer nervöser. Es stellte sich heraus, dass ab Mitternacht eine Ausgangssperre gilt, und es abzusehen war, dass wir bis dahin nicht ankommen werden. Er schickte mir dann neben der Adresse unserer Schlafunterkunft ein Foto der Haustür, wo wir klingeln sollten. Es war etwa 1:00 Uhr nachts, als wir dort ankamen. Leider sah die Tür an der angegebenen Adresse anders aus als auf dem Foto, und wir konnten uns seit der Grenze beide nicht über das ukrainische Netz mit dem Internet verbinden, waren also kommunikationslos. Nach langer vergeblicher Suche (etwa 30 Minuten) hielt ein Auto neben uns an. Der Fahrer war Polizist, der uns Fragen stellte. Seine beiden Beifahrer waren der Uniform nach zu schließen Soldaten. Die Kommunikation mit dem Polizisten war sehr schwierig, aber nach einiger Zeit gab ich ihm die Telefonnummer von Oleg, und er rief ihn an (um 1:30 Uhr nachts). Nach dem Gespräch winkte er uns in sein Auto. Uns war etwas mulmig, denn wir befürchteten, dass wir ganz falsch waren und er uns ans andere Ende der Stadt fährt, weit weg von unserem Auto. Die Fahrt war aber nur 40 Meter. So nah waren wir am Ziel. Er läutete noch und besprach etwas mit der Hausmeisterin (wohl, ob sie uns wirklich erwartet) und fuhr davon.

Am nächsten Tag war unser Programm diesmal geprägt von den Aktivitäten, Waren mit zurück nach Deutschland zu bringen. Aber zunächst gab es Frühstück im Hauptquartier der städtischen Hilfsorganisation.

Ich sollte vielleicht erwähnen, dass die Colaflasche mit Wodka gefüllt war. Beim Frühstück konnten wir viele Pläne für weitere Unterstützung in der Zukunft machen. Es war sehr gut, ein Vorstandsmitglied des Vereins dabei zu haben.

Bürgermeister Andriy Zalivskyy war dabei und ehrte uns im Namen der Stadt. Martin bekam die Auszeichnung, die ich bei meinem letzten Besuch erhalten hatte.

Und ich wurde angesichts meines siebten Besuchs ausgezeichnet mit dem Orden „Freiwilliger der Ukraine“.

Dann gings zum Hauptlager zum Ausladen. Danach konnten wir ein komplett neu renoviertes, sehr großes Wohnheim für Flüchtlinge besuchen, das benutzt wird, um die Notunterkünfte in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen wieder ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Verschiedene Räume des neuen Wohnheims waren gesponsort von verschiedenen Organisationen aus verschiedenen Ländern, z.B. der GIZ GmbH.

Es folgte der Teil des Programms, wo wir Waren für den Verkauf in Deutschland bekommen würden. Als erstes besuchten wir ein Museum, das eine Ausstellung eines Künstlers aus Chervonograd hatte: Taras Horodetsky. Der Künstler ist schon verstorben, hat aber Berühmtheit erlangt durch seine bemalten Ostereier.

An dieser Stelle bekamen wir unsere Geschenke: einige Kopien von Horodetskys Eiern, aber auch viele Bilder und Basteleien, die von Schülern gemacht wurden, unter anderem Schülern des „House of children and youth creativity“.

Unter diesen Schätzen befanden sich auch einige schwarze Keramiken, und als nächstes durften wir den Künstler besuchen, der diese töpfert: Serhii Ivashkiv. Er gab Martin und mir jeweils eine Unterrichtsstunde im Töpfern, und wir konnten jeweils eine Schüssel selber machen (unter seiner gekonnten Anleitung). Ein Höhepunkt für uns war, dass der Töpfermeister im Juli eine Ausstellung in Deggendorf haben wird, wo wir ihn wieder sehen werden.

Die nächste Station war der Friedhof, wo ich beim letzten Mal einem Soldatenbegräbnis beiwohnte. Die Anzahl der Gräber gefallener Soldaten aus Chervonograd hatte sich seit meinem letzten Besuch mehr als verdoppelt.

Zurück ging es zum Hauptquartier, wo zu einem weiteren Essen noch weitere Helfer kamen. Und als besondere Überraschung bekamen wir als Geschenk eine Metallröhre überreicht, die ursprünglich zum Flugabwehrsystem „Paladin“ gehörte, und dann von einem Künstler wunderschön verziert wurde. Dieses Kunstwerk zeigt das Motto „vom Krieg zum Frieden“, und wir freuten uns, es bei Veranstaltungen des Vereins ausstellen zu können. Damit es beim Grenzübertritt keine Probleme geben würde, bekamen wir ein offizielles Zertifikat der Stadt, das bescheinigte, dass wir dieses Kunstwerk für eine Ausstellung nach Deutschland überführen.

Inzwischen war es fünf Uhr Nachmittag, als wir uns verabschiedeten und die Heimreise antraten. An der Grenze hatten wir zunächst großes Glück, da uns der Grenzer am ganzen Stau vorbeifahren ließ, bis direkt zum Kontrollposten. Die ukrainische Kontrolle war einfach. Aber das böse Erwachen kam auf der polnischen Seite. Die Polen machten große Probleme wegen unseres Kunstwerks. Jeder Grenzer mit dem wir sprachen fragte seinen Vorgesetzten, und am Ende waren fünf Hierarchiestufen involviert. Alles Verhandeln nützte nichts, sie erlaubten uns nicht, das Kunstwerk in die EU einzuführen. Sie beriefen sich auf ein polnisches Gesetz, das die Einfuhr von Waffen verbietet, und das Kunstwerk wäre „Teil einer Waffe“. Wir mußten uns von unserem Schatz trennen. Damit aber nicht genug. Sie erlaubten uns nicht, es bei ihnen zu lassen und sagten uns, wir müssen es zurück in die Ukraine bringen. Unsere Stimmung war am Tiefpunkt, weil das im schlimmsten Fall bedeutet, dass wir zehn Stunden im Stau stehen. Schweren Herzens fuhren wir zurück zum ukrainischen Grenzposten. Dort konnte man unser Problem nicht richtig glauben. Nach und nach versammelten sich weitere fünf Grenzer und sprachen lachend über unser Problem. Ich fragte sie, ob wir das Kunstwerk bei ihnen lassen könnten. Höchst zufrieden trug es einer davon, und sie räumten einige Sperren beiseite, um uns direkt zurück zur polnischen Kontrolle fahren zu kassen. Dort wurden wir von einer anderen Beamtin kontrolliert als beim ersten Mal, und sie fragte sofort, wo wir den „Gegenstand“ gelassen hätten. Ich nehme also an, dass unsere Pässe jetzt und für alle Zeiten im polnischen System gespeichert sind als Waffenschieber. Befriedigt von meiner Erklärung ließ sie uns in die EU einreisen.

Inzwischen war es nach Mitternacht. Ich telefonierte mit unserem Standardhotel in Jaroslaw, und in der Folge mit einigen anderen Hotels, aber alle waren ausgebucht. Also machten wir uns auf den Weg zum Waldhäuschen unserer Freunde Tati und Justyna, wo wir in einer ähnlichen Situation schon einmal ein paar Stunden schlafen konnten. Ich erreichte die beiden auch, aber sie waren auf Reisen, und es stellte sich heraus, dass der Schlüssel zu dem Haus nicht mehr an Ort und Stelle war. Nach einigen anderen Versuchen hatte Justyna noch eine Idee, wo wir schlafen konnten. Sie meldete uns bei einem Auffanglager für ukrainische Flüchtlinge an, wo wir gegen 3:00 Uhr eintrafen.

Ich fand diese Art die Nacht zu verbringen sehr passend für unsere Reise. Gestärkt von vier Stunden Schlaf fuhren wir ohne weitere Vorkommnisse nach Hause.

Die Dinge, die wir nach Chervonograd liefern werden sowohl für zivile Zwecke verwendet als auch zur Unterstützung von Soldaten. Ein paar Tage nach unserer Fahrt erhielt ich folgende Botschaft:

Mitglieder der 14. Separaten Mechanisierten Brigade, benannt nach Prinz Roman dem Großen danken den deutschen Spendern „Brucker helfen der Ukraine“ für den Generator.