Neue Wege, alte Stärke – Erste Vereinsfahrt der Ukraine-Direkthilfe Gröbenzell e.V.

Am 29. März 2025 brach Uli Fößmeier zur zwölften Hilfsfahrt in die Ukraine auf – diesmal erstmals im Namen des frisch gegründeten Vereins „Ukraine-Direkthilfe Gröbenzell e.V.“ und gemeinsam mit Mitfahrer Karl Rinscheid. Unterstützt durch die Grenzenlose Kinderhilfe Penzberg und die eigenen Sammelaktionen wurde eine beeindruckende Hilfsladung zusammengestellt: medizinisches Gerät, Werkzeuge, eine Solaranlage und vieles mehr. In Sheptytskyj erlebten die Helfer eindrucksvoll den Alltag im Krieg – von überfüllten Soldatenfriedhöfen über Luftalarme bis hin zu einem bewegenden Benefizkonzert.

Ein Schwerpunkt der Reise war die psychosoziale und motivierende Wirkung der Hilfe aus Deutschland: Uli hielt mehrere Präsentationen vor Soldaten, Schulklassen und einer Militärschule, um die Botschaft „Ihr seid nicht allein“ zu überbringen – mit großer Resonanz. Auch offizielle Vertreter, darunter Lehrer, Psychologen und der Vizebürgermeister, baten um Kooperation und internationale Kontakte.

Ein Abstecher nach Luzk führte die Helfer zu einer staatlichen Veteranenveranstaltung, einer Begegnung mit einem Klosterabt aus dem Donbass – und zu einem Marktplatz, wo Veteranen ihre selbstgemachten Waren verkaufen konnten. Als krönender Abschluss wurde Uli mit einer ukrainischen Flagge voller Fotos seiner bisherigen Fahrten beschenkt – ein Symbol der gelebten Solidarität und Anerkennung für unermüdliches Engagement.

Originalbericht

29. März 2025: meine zwölfte Fahrt. Die erste nach der Gründung des gemeinnützigen Vereins „Ukraine-Direkthilfe Gröbenzell e.V.“. Und da kam als Mitfahrer natürlich gleich eines der aktiven Vereinsmitglieder mit: Karl Rinscheid. Wie schon bei einigen vorherigen Fahrten kam ein guter Teil der Hilfsgüter wieder vom Verein „Grenzenlose Kinderhilfe“ in Penzberg. Darüber hinaus hatten wir aber jede Menge Güter geladen, die aus den Sammelaktionen des neuen Vereins stammten, darunter eine Vielzahl an medizinischen Geräten, sowie Werkzeugen. Außerdem hatten wir eine Solaranlage dabei.

Die Zeitplanung war diesmal etwas anders als bei den bisherigen Fahrten: wir wollten einige Wochentage in Sheptytskyj bleiben, daher fuhren wir erst am Samstag los. Das hatte verkehrstechnisch Vorteile, es war kaum etwas los auf den Straßen, selbst bei Krakau gab es überhaupt keinen Stau. Auf dem letzten Autobahnstück in Polen überholten wir einen langen Militärtransport, der etliche Panzer auf LKWs nach Osten brachte.

Der Grenzübergang um 5:00 Uhr Früh war wie üblich schnell, und wir konnten einen wunderschönen Sonnenaufgang in der Ukraine genießen.

Auf der einstündigen Fahrt von der Grenze nach Sheptytskyj gab es zusätzlich zu dem uns schon bekannten Streckenposten noch zwei weitere. Sicherheitsmaßnahmen scheinen also verstärkt zu werden. Das zeigte sich dann auch, als wir als erste beim Hauptquartier ankamen und im Freien warteten. Nach ein paar Minuten kamen drei Soldaten und fragten etwas. Nachdem wir uns als Ausländer zu erkennen gaben erklärten sie uns auf Englisch, dass sie unsere Papiere kontrollieren müssten, wenn wir Ukrainer wären. Als Ausländer ist das aber nicht nötig, und sie fuhren nach einer freundlichen Verabschiedung weiter.

Nach der Begrüßung unserer Freunde gab es eine Führung durchs Hauptquartier für Karl. Dabei erfuhr auch ich Informationen, die mir neu waren, etwa dass die Organisation in den Kriegsjahren 25000 Flüchtlinge betreut hat. 10000 der etwa 60000 Einwohner von Sheptytskyj sind momentan im aktiven Kampfeinsatz.

Anschließend fuhren wir zum Friedhof. Die Zahl der Soldatengräber ist inzwischen über 300, und in zwei Dritteln davon liegt keine Leiche. Sich diese Zahlen bewusst zu machen sowie Eltern zu sehen, die um ihre Söhne oder Töchter trauern macht es so schwierig, die tägliche Wirklichkeit in der Ukraine zu begreifen.

Zurück im Hauptquartier entluden wir unser Auto und bezogen unsere Unterkunft. Danach waren wir eingeladen auf ein Benefizkonzert in der Stadthalle. Ein örtlicher Geiger feierte seinen 50. Geburtstag und hat dafür ein riesiges Konzert organisiert. Er spielte mit verschiedenen Partnern oder auch Solo, es gab Tanzeinlagen und vieles mehr. Das Konzert dauerte drei Stunden und war wirklich hochklassig. Zwischendurch gab es Versteigerungen. Angeboten wurden Kunstwerke, die aus abgeschossenen Waffen hergestellt wurden (ich empfehle dazu den Reisebericht meiner 7. Reise nachzulesen) sowie Uhren, deren Zifferblätter aus ukrainischen Geldmünzen bestehen. Volodymyr Koval hatte mir einmal eine solche Uhr geschenkt, und er machte zwei weitere für diese Versteigerung. Der Gesamterlös des Konzerts aus Eintrittsgeldern (ca. 5 Euro pro Person) und Versteigerung wurde für die Anschaffung eines Fahrzeugs für die aus Sheptytskyj stammenden Truppen verwendet. Es kamen etwa 3000 Euro zusammen.

Beim Konzert fiel wieder die Allgegenwärtigkeit des Krieges auf. Die besten Plätze auf dem Balkon waren für Soldaten reserviert, die unter Ehrenbekundungen begrüßt wurden. Und ein paar Sitzreihen waren für verwundete Veteranen in Rollstühlen freigehalten.

Nach dem Konzert gab es eine gemütliche Runde im Hauptquartier, wo wir bei viel Essen, Alkohol und Gesang einen neuen Freund kennenlernen durften: Andrii (im Bild hinten in der Mitte) ist ein Fahrer der Organisation. Er fährt fast jede Woche an die Front zur Verteilung von Hilfsgütern, bis zu 8 Kilometer von den Kampfhandlungen. Er hatte beeindruckende Geschichten und Fotos zu zeigen. Auch Alexander war wieder dabei, der nach seiner Rückkehr aus dem Kampfeinsatz nun wieder bei der Stadtverwaltung arbeitet. Ich konnte wieder ein paar Partien Schach mit ihm spielen.

Am Montag war volles Programm. Ich hatte im Vorfeld der Fahrt den Wunsch geäußert, mit mehr Leuten zu sprechen und als Motivator aufzutreten. Ich wollte die Botschaft „ihr seid nicht allein“ an möglichst viele Personen überbringen. Dazu hatte ich eine etwa einstündige Vorführung vorbereitet mit vielen Fotos und Videos, die zeigen wie viele Leute beteiligt sind an unseren Aktionen, die alle der Ukraine helfen wollen. Den ersten dieser Vorträge hielt ich vor einer Gruppe Soldaten.

Am Ende sprach mich Yuliia, eine Soldatin aus der Gruppe an. Sie ist Psychologin und fragte mich ob ich ihr einen Kontakt herstellen könnte mit einer deutschen Kollegin oder Kollegen zum Erfahrungsaustausch. Ich hoffe ihr dabei helfen zu können.

Die zweite Veranstaltung war in einer Schule. Zunächst durften wir die Schule besichtigen und zum Beispiel ihr Inklusionskonzept kennenlernen, wo zwei schwerstbehinderte Kinder in normalen Schulklassen mitlernen. Dieser Junge etwa kommunizierte mit uns über seinen Computer, den er mit seinen Augen steuerte, da er weder sprechen kann noch sich richtig bewegen.

Die Direktorin zeigte uns auch stolz das Ergebnis ihrer Renovierungsarbeit. In der Tat waren große Teile der Schule sehr modern. Aber es gab auch noch Bereiche, die noch nicht renoviert waren und in sehr schlechtem Zustand waren. Ihre Turnhalle war ganz neu hergerichtet, aber an Sportgeräten fehlte es. Die Direktorin zeigte uns kaputte Basketbälle und Turnreifen.

Beim Besuch einer Schulklasse gab es eine rührende Szene, als die Kinder spontan aufgesprungen sind und uns umarmten.

Bei unserem Vortrag waren dann die älteren Klassen anwesend. Sie waren interessiert, und überreichten uns als Geschenk viele Bilder, die sie zu dem Anlass gemalt hatten.

Der Höhepunkt war die dritte Veranstaltung. Sie fand in einer Militärschule statt. Das ist eine Schulstufe mit Schülerinnen und Schülern zwischen 16 und 18 Jahren. Es ist eine Internatsschule und wird im Stil einer Kaserne geführt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten neben den normalen Schulfächern zusätzlichen Unterricht in Sport, Englisch und Waffenkunde. Sie lernen Disziplin und Respekt zu zeigen und machten auf mich einen wesentlich reiferen Eindruck als gleichaltrige Jugendliche, die eine „normale“ Schule besuchen. Sie sind den ganzen Tag in Uniform und schlafen auch in der Schule. Gelernt wird viel aus Büchern, das private Mobiltelefon darf nur eine Stunde am Tag benutzt werden. Ein überraschend hoher Anteil der Lernenden sind Mädchen, so zwischen 30 und 40%. Die Schule wurde erst vor zwei Jahren gebaut und ist entsprechend hochmodern eingerichtet.

Etwa 200 Schülerinnen und Schüler besuchen die Schule im Augenblick, und fast alle waren zu unserem Vortrag anwesend.

Nach einer Ehrung für uns hatte der Schulleiter eine ähnliche Bitte wie zuvor die Psychologin: er fragte, ob ich einen Kontakt für ihn zu ähnlichen Schulen in Deutschland herstellen kann.

Der letzte Stopp des Tages war ein Besuch bei einer Schule, die nach der Familie Lugovsky benannt ist. Das ist eine der bekanntesten Familien aus Sheptytskyj, deren Familiengrab ich schon öfter am Friedhof gesehen hatte. Frau Lugovska trat in die Armee ein, nachdem sie ihren Schwiegersohn und ihren Sohn im Krieg verloren hatte, und fiel dann selbst. Die ganze Familie besuchte diese Schule, die dann nach ihnen benannt wurde. Eine sehr schöne Geste zu der tragischen Geschichte.

Wir überreichten der Schulleiterin die Solaranlage, die wir aus Deutschland mitgebracht hatten.

Beim gemütlichen Zusammensein am Abend im Hauptquartier wurden wir wie üblich mit Dankbarkeitsbezeugungen überschüttet. Diesmal gab es aber auch eine Anfrage von Vizebürgermeister Volodymyr Koval: unsere Motivationsveranstaltungen sind so gut angekommen, dass er mich fragte, ob ich bei meinem nächsten Besuch etwas ähnliches für die aus Sheptytskyj stammenden Truppen tun könnte. Möglicherweise steht hier also eine interessante Aufgabe bevor.

Eine Rückmeldung bekamen wir noch über die Thermounterwäsche, die ich im November geliefert hatte. Die Soldaten lobten diese Unterwäsche über alles und sind voll Dankbarkeit. Ein spezieller Gruß wurde übermittelt von Roman Opatsky, dem ich im November einige Pakete Unterwäsche persönlich überreichen konnte.

Wir waren im Vorfeld gebeten worden, noch einen zusätzlichen Tag zu bleiben. An diesem fuhren wir nach Luzk, das etwa zwei Autostunden entfernt liegt. Dort fand in der Universität eine Veteranenveranstaltung statt, die von der Regierung in Kyiv organisiert war. Wir durften an einer Besprechung wichtiger Regierungsvertreter und der Universitätspräsidentin teilnehmen.

Obwohl wir von den Debatten natürlich nichts verstehen konnten war es sehr interessant zu sehen, wie respektvoll die Teilnehmer miteinander umgingen, und wie wichtig ihnen das Thema „Veteranen“ ist. In einem anderen Stockwerk war parallel ein Markt, wo Veteranen mit ihren Waren Geschäfte machen konnten. Karl hätte beinahe eine Destillieranlage für Schnaps gekauft.

Ich hatte in Luzk noch Gelegenheit, mich mit dem Ehemann einer Ukrainerin zu treffen, die jetzt in Gröbenzell wohnt. Ich brachte ihm ein Päckchen seiner Frau und nahm im Gegenzug ein paar Sachen mit, die er seiner Familie in Deutschland schicken wollte. Das gab noch einen zusätzlichen schönen Aspekt unserer Reise.

Mittagessen war organisiert in einem Kloster in Luzk, dessen Abt aus Donezk stammt und während des Kriegs ein Kloster im Westen der Ukraine übernommen hat. Er lud uns alle zu einem reichhaltigen Essen ein.



Nach einer Besichtigung der Burganlage von Luzk und einem Bummel in der Innenstadt ging es zurück nach Sheptytskyj. Dort wartete eine große Zahl an gebastelten Waren auf uns, die in einem Kindergarten gemacht worden waren, und die wir in Deutschland auf unserem Stand verkaufen können. Die Kinder waren glücklich, damit dazu beizutragen, dass wir ihrem Land weiterhin helfen können.

Und ich erhielt noch als spezielles Geschenk eine ukrainische Flagge, auf der viele Fotos meiner Fahrten zu sehen sind.

Das war natürlich ein grandioser Abschluss einer sehr ereignisreichen Fahrt.

Die Rückfahrt am nächsten Tag verlief ohne Probleme und bei gutem Verkehr.