Mit Generatoren, Georgischem Essen und Glück beim Grenzübertritt – Hilfstransport Nr. 8

Am 23. Juni 2023 machten sich Uli Fößmeier und Mitfahrer Dieter erneut auf den Weg nach Chervonograd – mit an Bord: 20 Generatoren, 150 Schlafsäcke, Isomatten, Campingkocher und ein auf Wunsch kurzfristig besorgter Drucker. Trotz kluger Planung und frühem Grenzbesuch zog sich der Übertritt aufgrund technischer Ausfälle und Zollformulardebatten über fünf Stunden hin. Vor Ort wurden die Helfer herzlich empfangen, das Entladen lief reibungslos – und beim georgischen Mittagessen sowie einer Führung durch eine stillgelegte Kohlemine mit dem verletzten Frontsoldaten Vitalii entstanden bewegende Eindrücke. Besonders rührend: Der Drucker, den sie mitgebracht hatten, wird bald an der Front eingesetzt. Dank eines offiziellen Schreibens zum humanitären Status gelang der Rückweg ohne lange Wartezeiten – ein seltener Glücksfall auf dieser ansonsten von Improvisation, Einsatz und Menschlichkeit geprägten Reise.

Originalbericht

Am 23. Juni 2023 ging es zum achten Mal nach Chervonograd. Um meinem Mitfahrer-Muster treu zu bleiben fuhr Dieter mit; er war auch bei der zweiten, vierten und sechsten Fahrt dabei gewesen. Diesmal übernahm der Verein „Kurz mal helfen“ die Finanzierung der Ladung, und wir konnten die ersten vier Waren der Wunschliste kaufen: 20 Stromgeneratoren, 150 Schlafsäcke, 150 Isomatten und 150 Campingkocher. Den Rest luden wir vom Lager voll. In letzter Sekunde kam der Wunsch nach einem Drucker, den ich noch kaufte.

Bei der Fahrtplanung wollten wir von den Erfahrungen von Lea und Claus profitieren, die drei Wochen vorher gefahren waren. Sie fuhren durch die Nacht und kamen am frühen Morgen an die Grenze, und es waren kaum Autos vor ihnen. Da mir das durch-die-Nacht-fahren zu gefährlich ist, haben wir die Nacht in einem Hotel in Polen kurz vor der Grenze verbracht (nach dem obligatorischen Stau in Krakau). Im Hotel war nur eine Angestellte, die kein Wort Deutsch oder Englisch sprach. Wir unterhielten uns über eine Übersetzungs-App. Auf die Frage ob es noch etwas zu essen gibt, sagte sie: „Kartoffeln mit Käse, es ist Freitag“. Dazu muss man wissen, dass Polen sehr katholisch ist. Während das für mich als Vegetarier kein Problem war, war Dieter nicht glücklich und meinte, dass er nicht mehr am Freitag nach Polen fahren will ☺.

Am nächsten Morgen erreichten wir um 5:50 Uhr die Grenze, und in der Tat waren nur fünf Autos vor uns. Unsere Strategie hat also geklappt. Wir hatten die Illusion, in einer Stunde in der Ukraine zu sein. Leider wurden daraus fünf (!) Stunden. Zunächst geschah 30 Minuten gar nichts, dann gingen die Lichter an (Ampeln zum Beispiel). Es war uns gar nicht aufgefallen, dass diese zunächst aus waren. Es gab wohl ein technisches Problem. Die Wartezeit wurde uns durch das Beobachten von Störchen verkürzt.

Als wir nach etwa einer Stunde in den Grenzbereich einfahren konnten, war die polnische Kontrolle erfreulich schnell. Bei der ukrainischen Passkontrolle standen wir aber 90 Minuten, ohne dass im gesamten Grenzbereich irgendein Auto Fortschritte machte. Nachdem wir endlich die Passkontrolle passiert hatten, wurden wir beim Zoll zunächst fast eine Stunde auf ein „Abstellgleis“ geschoben. Als sich endlich ein Zöllner mit uns beschäftigte, meinte er, dass ich Fehler beim Ausfüllen des Formulars gemacht hätte, und ich es neu ausfüllen muss. Ich durfte das in seinem Zollhaus machen.

Nach vielen Diskussionen, was geändert werden musste, war endlich alles in Ordnung. In dem Moment fiel der Strom aus. Es dauerte noch einmal eine Stunde, bis wir die Papiere gestempelt bekamen. Der Beamte meinte, sie hätten wohl die Daten mit einer Schreibmaschine eingetragen.

Auf der 30-minütigen Fahrt von der Grenze nach Chervonograd erfuhren wir zunächst, dass Oleg uns nicht sehen kann, weil er bei seiner Großmutter im Krankenhaus ist. Aber alle anderen sollten da sein. Auf halbem Weg gibt es einen Kreisverkehr. Dort stand ein Polizist, hielt uns an und stellte uns eine Frage. Einer Intuition folgend antwortete ich „Chervonograd“, worauf er uns andeutete, nach links abzubiegen. Später erfuhren wir, dass eine Straße gesperrt war, und der Polizist uns auf eine Umleitung leitete.

Am Hauptquartier angekommen, war die Türe geschlossen. Unsicher ob ich richtig bin, klopfte ich zunächst und öffnete dann die Tür. Da kam mir ein junger Mann entgegen, den ich nicht kannte. Glücklicherweise war gleich hinter ihm Maria, die ich bei der letzten Fahrt kennengelernt hatte; der junge Mann war ihr Bruder. Alle anderen Helfer waren kurzfristig ins Lager gefahren, um dort einen anderen Transport zu entladen. Also fuhren wir auch dorthin, wo wir dann alle Freunde (und noch viele Helfer, die wir noch nicht kannten) antrafen. Unter meiner gekonnten Aufsicht (☺) ging das Entladen schnell vonstatten.

Nach dem Entladen war der Plan, zum gemeinsamen Mittagessen zu fahren. Aber eine Straßensperre wegen einer Baustelle erschwerte das. Es handelte sich wohl um das Problem, auf das uns vorher der Polizist aufmerksam gemacht hatte. Es hieß zunächst, dass man erst in einer Stunde durch die Baustelle fahren könnte. Einen anderen Weg gab es nicht, und so wurden verschiedene Alternativen diskutiert.

Es wurde beschlossen, zu Fuß über die Baustelle zu gehen, und auf der anderen Seite ein Taxi zu nehmen. Auf dem kurzen Fußweg gab es Panzersperren zu sehen.

Und noch während des kurzen Marsches konnten wieder Autos fahren, so dass wir also doch die Fahrt im eigenen Auto fortsetzen konnten.

Mittagessen gab es im Nachbarort in einem kleinen Restaurant, das ein Mann aud Georgien führt. Im Bild ist der stehende Mann der Wirt.



Nach dem Essen mit vielen georgischen Spezialitäten konnten wir noch eine Tour durch das Gelände einer Kohlenmine machen. Unser Führer war der 22-jährige Vitalii, der früher in der Mine gearbeitet hatte, sich dann aber als Soldat gemeldet hatte und im Krieg verwundet wurde. Während seiner Genesung hielt er sich in seiner Heimatstadt auf und konnte uns herumführen. Er zeigte uns verschiedene Maschinen, die zur Kohlegewinnung eingesetzt werden, und wir konnten sogar einige Stücke Kohle als Souvenir mitnehmen.

Später erfuhr ich, dass es Vitalii war, der um den Drucker gebeten hatte. Freunde von Vitalii aus einer medizinischen Abteilung werden den Drucker an der Front benutzen. Und in einigen Wochen wird Vitalii wieder zum Einsatz an die Front zurückkehren.

Auf diesen Gruppenbild steht Vitalii neben mir:

Bevor wir zur Heimfahrt aufbrachen, bekamen wir noch einen offiziellen Brief, der uns den Status eines humanitären Transports bescheinigt (ich hatte darum gebeten). Dieser Brief funktionierte  an der Grenze ausgezeichnet. Wir fuhren am gesamten Grenzstau vorbei, und der Grenzbeamte las sich den Brief durch, telefonierte mit seinem Vorgesetzten, und ließ uns dann sofort in den Grenzbereich einfahren. Das ersparte uns 6-12 Stunden warten, und wir passierten die ukrainische Kontrolle in zehn Minuten, und den gesamten Grenzübertritt in einer Stunde. Somit saßen wir um 21:00 Uhr bei Pizza und Bier in unserem Stammhotel in Jaroslaw in Polen.

Die Heimfahrt verlief ohne besondere Vorkommnisse.